Reiseberichte
Tschechien
Bye-bye
Deutschland...
Die letzte Nacht in
Deutschland hatten wir ja in dem kleinen Ort Krippen in der
Saechsischen Schweiz verbracht: direkt am Elbufer und - wie schon
haeufiger - auf einem Fussballplatz. Das allmorgendliche
Verpacken unserer sieben Sachen erfolgt mittlerweile wie im Schlaf:
Schlafsaecke einrollen, Zelt abbauen, alles in die Satteltaschen
stopfen. Nur heute galt es zusaetzlich, unsere Reisepaesse aus den
Tiefen unserer Taschen zu fischen.
Mit gezueckten Papieren radelten wir die letzten
Kilometer Richtung
Tschechien. Doch statt Grenzformalitaeten erwartete uns auf dem Radweg
lediglich ein enttaeuschend unspektakulaeres Schild "Ceska republika".
So kamen wir quasi heimlich durch die Hintertuer ins erste (Aus-)Land
unserer grossen Reise. Nun ist das fuer uns ja nicht irgendein
Grenzuebertritt, denn wenn alles gut geht, betreten wir fuer ziemlich
lange Zeit keinen deutschen Boden mehr. Und so dachten wir nochmal an
das, was wir uns da eingebrockt und nun auszuloeffeln hatten - doch
zurueck wollten wir natuerlich nicht. Bis die ersten Berge kamen. Aber
dazu spaeter mehr.
...
auf nach Tschechien. Tschechien? Bloss nicht!
Wir hatten unterwegs schon mehrere Radler und Camper
getroffen, die nur von schlechten Erfahungen in Tschechien berichteten:
Die Tschechen seien sehr unfreundlich, die Versorgung schwierig, da es
nur wenige Orte an der Strecke gaebe, in denen man Wasser besorgen
koenne und es sei fast unmoeglich, mit den Tschechen zu kommunizieren,
da sie zwar eigentlich fast alle deutsch koennten (zumindest die
aelteren haben es ja in der Schule gelernt), sich aber weigerten, mit
einem deutsch zu reden. Na, das klang ja sehr einladend... Wir
beschlossen trotzdem, unser Glueck zu versuchen und lieber unsere
eigenen Erfahrungen zu machen. Wie gut!! Da wir unseren
"Kauderwelsch"-Sprachfuehrer dabei hatten, lernten
wir
zumindest mal "Guten Tag" und
"Danke", was ja
nie schadet und radelten munter drauf los. Die erste Nacht in
Tschechien verbrachten wir auf einem Spielplatz, und bis dahin hatten
wir so gut wie keinen Kontakt zur einheimischen Bevoelkerung, da wir
auf dem Elberadweg unterwegs waren und nur wenigen Leuten begegnet
waren.
Das
sollte sich bereits am zweiten Tag aendern. Zuerst
fuellten wir unsere Lebensmittelvorraete im Supermarkt auf, was relativ
einfach war. Doch irgendwann neigte sich der Tag dem Ende entgegen, und
wir suchten nach einem Schlafplatz, was sich etwas schwieriger
gestaltete. Wir fanden schliesslich einen Gruenstreifen direkt an der
Elbe und stiegen ab, um eine ebene Stelle fuer unser Zelt zu orten.
Waehrend wir noch umherstapften, kamen zwei aeltere Damen zu uns, denen
wir vorher noch brav unser "Dobri den"
("Guten
Tag") entgegengeschmettert hatten. Trotz unseres zugegeben
doch
etwas beschraenkten Wortschatzes gelang es ihnen, uns klarzumachen,
dass der von uns auserkorene Schlafplatz kein guter Ort zum Zelten sei,
da sich dort nachts zwielichtige Gestalten herumtreiben wuerden. Ihrem
Wortschwall - vielmehr: den begleitenden Gesten - entnahmen wir, dass
wir den Beiden auf ihr Grundstueck folgen sollten, wo wir obendrein vom
eilig herbeigerufenen Nachbarn in bestem Deutsch willkommen geheissen
und mit reichlich Gurken und Tomaten aus eigener Ernte versorgt wurden.
Zelt
and Breakfast


Als
wir am naechsten Morgen aus unseren Schlafsaecken
krochen,
stand bereits das Fruehstueck vor dem Zelt. Oha! Nach den Warnungen vor
den angeblich so unfreundlichen Tschechen waren wir nun doch sehr
ueberrascht und genossen Tee und Krapfen umso mehr. Zu guter Letzt
bekamen wir auch noch unsere Wasservorraete aufgefuellt, und nachdem
wir mehrfach versichert hatten, dass es uns sonst an nichts mangelte
sowie nach einem Abschiedsfoto, machten wir uns frisch gestaerkt auf
den Weg, der uns selbstverstaendlich noch einmal genauestens (auf
Tschechisch...) erklaert wurde.
Dies
sollte unser letzter Tag an der
Elbe werden, der wir ueber 700 km stromaufwaerts gefolgt waren. Vorerst
ging es noch einigermassen flach am Ufer der Elbe entlang bis nach
Melnik, wo sich vom Kirchberg aus ein wunderschoener Blick auf den
Zusammenfluss von Moldau, Moldaukanal und Elbe bietet.

Flusswechsel:
von nun an war die Moldau unser staendiger Begleiter. Um diese neue
Bekanntschaft ausgiebig geniessen zu koennen, schlugen wir unser Zelt
gleich für einige Tage an ihren Ufern auf: auf einem
Campingplatz
bei Veltrusy, 30 Kilometer noerdlich von Prag. Wir genossen die
Vorzuege eines Campingplatzes, allen voran die Kueche und die
Sanitaeranlagen und hatten tatsaechlich fuer ein paar Tage Sonne pur,
so dass wir in Ruhe Angler, Reiher, und vorbeiziehende Schiffe
beobachten konnten.
Wie auf fast jedem Campingplatz dieser Welt waren wir
natuerlich von Wohnwagen mit verdaechtig Gouda-gelben Nummernschildern
umzingelt: die Hollaender haben auch Tschechien für sich
entdeckt.
Abends entbrannte (im wahrsten Sinne des Wortes) ein leidenschaftlich
ausgefochtener Wettkampf um das groesste Lagerfeuer, und so sah man ab
dem spaeten Nachmittag eine Familie nach der anderen ihre Kinder in den
Wald schicken, um Feuerholz zu sammeln. Als der irgendwann nicht mehr
genuegend hergab um die Nachbarn auszustechen, wurden schon frueh
morgens kleine Autotouren in die benachbarten Wälder
unternommen,
um diese auszubeuten. Die so ergatterten Brennstoffvorraete wurden
waehrend des gesamten Tages natuerlich strengstens bewacht, bevor sie
abends ihrem eigentlichen Zweck zugeführt wurden. Fast nicht
vorstellbar, dass in der Umgebung ueberhaupt noch irgendetwas
Brennbares zu finden ist...

Ueber
Stock und Stein nach Prag
Bevor man uns nun auch noch die Baenke unter dem
Allerwertesten abmontieren konnte, machten wir uns lieber auf den Weg
nach Prag, und zwar auf dem Moldauradweg. Dass dieser existiert und
ausgeschildert ist, heisst allerdings nicht, dass er auch für
voll
bepackte Fahrraeder wie die unsrigen geeignet ist. Der Weg fuehrte
direkt an der Moldau entlang, abseits von Autoverkehr und sonstigen
Stoerenfrieden, was an sich begrüssenswert war. Er wurde
jedoch
zusehends enger und schrumpfte innerhalb kurzer Zeit auf einen
fussbreiten Trampelpfad zusammen, rechts und links davon laestig
dichtes Buschwerk. Das reichte nicht ganz fuer uns und unsere voll
beladenen Drahtesel, die locker dreimal so breit sind, weshalb wir
staendig mit unseren Packtaschen und Beinen durchs Gebuesch schleiften.
Zusammen mit ueberall kreuz und quer ueber den Weg verlaufenden
Baumwurzeln und jeder Menge grossen, spitzen Steinen brachten sie uns
staendig ins Trudeln.
Aber das war noch der gute Abschnitt des Weges. Haarig
wurde
es erst, als die Buesche auf der rechten Seite fehlten und es direkt(!)
neben uns 5 Meter senkrecht in die die Moldau ging. Haetten wir
gewusst, dass wir uns erst am Anfang dieser chaotischen Strecke
befanden und diese nicht wie vermutet fast hinter uns hatten, waeren
wir sofort umgekehrt, aber so dachten wir: durchhalten, nur noch ein
paar Meter, dann wird's wieder besser. Diese "nur noch ein
paar
Meter" zogen sich am Ende ueber 5 Kilometer hin, und
teilweise
wurde es sogar noch schlimmer: an einigen Stellen war der Weg seitlich
weggebrochen und in die Moldau gerutscht, so dass man nur absteigen und
schieben konnte. Schieben? Wie, wenn nicht genug Platz für
Fahrrad
und Fahrer nebeneinander ist? Genau wie bei einem Esel: einer zieht
vorne, der andere schiebt von hinten. So schafften wir die
Horrorstrecke schliesslich mit vereinten Kraeften.
Das
Ganze hatte allerdings mit gut 2 Stunden erheblich
laenger
gedauert als geplant, und so kamen wir zu spaet zu unserer Verabredung
mit Filip, bei dem wir in Prag wohnen wollten. Er wartete dennoch
geduldig auf uns und begruesste uns mit den Worten: "Hi, ich bin Filip.
Hier sind die Wohnungsschluessel. Das ist Euer Zimmer, hier ist das Bad
und dort die Kueche. Hier habt Ihr 200 Kronen zum Einkaufen, falls Ihr
kein Geld mehr habt. Ich muss jetzt los, wir sehen uns dann morgen!"
Wir schleppten also all unser Hab und Gut in unser Zimmer, guckten uns
noch ein wenig die Umgebung an (Filip wohnt in Gehweite zum Hradschin,
der Prager Burg, also in einer netten Ecke, die man ohne Probleme zu
Fuss erkunden kann) und fielen schließlich muede und kaputt
in
unsere Schlafsaecke. Morgens wurden wir mit der Frage "Ich gehe zum
Baecker, soll ich Euch etwas mitbringen?" geweckt, die wir dankend
bejahten. Beim anschliessenden gemeinsamen Fruehstueck gab es gleich
die ersten Ausflugstipps von unserem Gastgeber.
Filip hatten wir erst wenige Tage zuvor per E-Mail und
SMS
kennengelernt, ueber eine Internetgemeinschaft namens Hospitality-Club.
Ueber diese und aehnliche Organisationen (z.B, Warm Showers, s. erster
Bericht) berichten wir ein anderes Mal noch ausfuehrlicher; zum
Verstaendnis nur soviel: es handelt sich um ein Internetportal, bei dem
man sich registrieren laesst und anderen Mitgliedern aus aller Welt
Uebernachtungsmoeglichkeiten anbietet bzw. diese nutzen kann - und zwar
in der Regel kostenlos.


Nach dem Fruehstueck begannen wir brav mit dem
obligatorischen
Touristenprogramm: Hradschin, Karlsbruecke, Wenzelsplatz, Rathaus mit
astronomischer Uhr etc.. Der Vorteil des Hospitality-Clubs liegt aber
auch darin, dass man in den Genuss von Insidertipps kommt, wie z.B.
diesem "etwas anderen" Springbrunnen: in einem
Becken
stehen sich zwei nackte Maenner gegenüber. Das an sich ist ja
noch
nicht so aussergewoehnlich, aber man kann den Beiden eine SMS schicken,
und kurz darauf pinkeln sie die Nachricht ins Wasser. Falls Ihr auch
mal in der Naehe seid: der Brunnen befindet sich direkt vor dem
Kafka-Museum, ganz in der Naehe der engsten Strasse der Welt, in der
der Fußgaengerverkehr (für Autos wuerde der Platz
nun
wirklich nicht ausreichen) per Ampelschaltung geregelt werden muss,
weil sie fuer mehr als eine Person zu schmal ist.

Ueber
alle Berge
Von Prag aus ging es gen Sueden, und das bedeutet:
unsere
ersten Berge (naja, eigentlich wohl mehr Huegel, aber zumindest fuer
Silke waren es definitiv Berge.) lagen vor uns. Das Ganze fing recht
harmlos an: wir tankten an einer Bank im kleinen Ort Davle noch einmal
Geld am Automaten, und Micha sagte mit einem Blick auf die Karte:
"Wir muessen hier ueber die Bruecke, und dann geht es auf der
anderen Seite weiter." O.k., also hoch strampeln Richtung
Bruecke. Huch, die ist aber ganz schoen hoch. Und entgegen anderer
Bruecken macht sie auch keinen Bogen und geht zum gegenueberliegenden
Ufer wieder nach unten – nein, es geht einfach nur hoch!
Naja,
dann gehts sicher dahinter wieder runter. Nein, auch nicht. Na, dann
nach der Kurve da. Nein, auch da ging es immer nur bergan. Und zwar den
ganzen Tag. So schoen flach es an Elbe und Moldau war, hinter Prag
sitzt ploetzlich jedes Dorf auf seinem eigenen Huegel. Eigentlich
aeusserst huebsch anzuschauen – aber auf einer Radeltour mit
45
kg Gepaeck bei 30 Grad kann einem schon mal die Lust auf
landschaftliche Schoenheiten abhanden kommen. Ausserdem war es genauso,
wie man es sich nicht wuenscht: es ging meist nach einer Kurve, also
quasi ohne Vorwarnung (und ohne Anlauf nehmen zu koennen) bergan und
bergab hatte man entweder Bahnschranken, Kopfsteinpflaster, enge Kurven
oder einmuendende Vorfahrtsstrassen vor sich, so dass an ein lockeres
Hinabsausen auch nicht zu denken war. Mehr als gut 20 Kilometer waren
an diesem Tag nicht drin, und abends fielen wir (eine mehr als der
andere) voellig fertig in die Schlafsaecke und
"freuten"
uns schon auf die naechsten Tagesetappen...
Fuer
die Statistik:
Trotzdem feierten wir am naechsten Tag, mittlerweile dem
15.08. den 1.000sten Kilometer, und so langsam gewoehnten wir uns beide
an die huegelige Strecke und freuten uns ueber das fast touristenfreie
Gebiet. Alleine auf der Karlsbruecke scheinen sich an einem sonnigen
Tag mehr Touristen zu tummeln als im ganzen laendlichen Tschechien
zusammen.
Weiter ging es in Richtung oesterreichische Grenze, die
in
immerhin ca. 1.000 Meter Hoehe liegt. Unterwegs sahen wir uns das
kleine Staedtchen Cesky Krumlov an, das eine wunderschoene Altstadt
besitzt und von Schloss und Burg dominiert wird. Der Ort liegt direkt
an der Moldau, und wir genossen es, Eis schleckend am Flussufer zu
sitzen und die vielen Kanufahrer, die sich mehr oder weniger geschickt
durch einige kleine Stromschnellen lavierten, zu beobachten.


Zum Schlafen fand sich stets eine ruhige Wiese, auch
wenn sich
diese manchmal als gar nicht sooo ruhig entpuppten wie es anfangs den
Anschein machte, zum Beispiel unser an einem vermeintlichen Ortsende am
Rande einer Ferienhaussiedlung gelegenes Fleckchen Gruen: zuerst
stellten wir ziemlich schnell fest, dass der Bach, der anscheinend
allem Autoverkehr ein Ende bereitete, nur ein flaches Waesserchen war,
durch das so mancher Autofahrer fahren musste, wenn er zu seinem
dahintergelegenen Haus gelangen wollte. Dann drehte der Wind und wir
lagen ploetzlich in der Einflugschneise des Prager Flughafens, und zu
guter Letzt fuehrte auch noch eine recht stark befahrene Bahnlinie
quasi durch unseren Garten, gut versteckt hinter einigen hohen
Bueschen. Als wir morgens unser Zelt abbauten, kamen einige
Spaziergaenger mit ihren Hunden vorbei, die uns freundlich gruessten
und schliesslich bekamen wir auch noch Besuch von einem Nachbarn, der
gleich in bestem Deutsch drauf los plapperte.


Tschechien?
Gerne wieder!
Tja, zum Thema "die Tschechen sind total
unfreundlich
und selbst, wenn sie deutsch koennen, lassen sie einen
zappeln"
koennen wir nur sagen: da hatten die anderen wohl ausgesprochenes
Pech... oder haetten es vielleicht einfach mal statt mit deutsch mit
ein paar Brocken tschechisch versuchen sollen. Wie oft regt man sich
über englisch sprachige Besucher auf, die wie
selbstverstaendlich
davon ausgehen, dass ihr Gegenueber englisch spricht und wieviel
angenehmer empfindet man es, wenigstens mit einem simplen "Guten
Tag" angesprochen zu werden. Wir sind also fast
ausschliesslich
auf super hilfsbereite Menschen gestossen, die uns nicht nur den Weg
erklaeren sondern auch gleich zum Kaffee einladen wollten, wenn sie
hoerten, dass wir aus Deutschland kommen. Und konnte mal jemand weder
deutsch noch englisch, so wurde flugs ein weiterer Passant herbeigeholt
und gemeinsam weiterdiskutiert. Wir haben die Tschechen jedenfalls als
sehr nettes und hilfsbereites Voelkchen kennengelernt und unsere Zeit
dort sehr genossen.
Trotzdem hiess es nun weiterradeln nach Oesterreich, wo
wir in
Linz und Wien jeweils ein paar Tage bleiben wollten. Also mal
wieder: rauf auf den Berg - und
ab nach Oesterreich!

Was
machen Silke und Micha an einer Tankstelle???

Wollen sie endlich mal wieder Eis essen?? Finden Sie
Plastikhandschuhe
so schick oder wollen sie sich mit Frostschutzmittel fuer den Winter in
den Karpaten eindecken?
Weit gefehlt! Tanken, natuerlich, was denn sonst?
Und
zwar
genau 0,6 Liter, mehr konnten wir uns nicht mehr leisten. O.k., mehr
ging nun wirklich nicht mehr in unsere Benzinflasche, die, an unseren
Kocher angeschlossen, dafuer sorgt, dass wir ab und zu auch mal eine
warme Mahlzeit in den Magen bekommen.
"Zeigt her, Eure Fuesse, zeigt her Eure
Schuh..."
Hier steht mal wieder ein
völlig
unsinniger Satz, der nur dazu da ist, den Content-Bereich
künstlich zu vergrößern, damit die Tabellen
alles schön in die Mitte rücken können - so,
ich denke, das sollte reichen.
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